Muster & Rollen
Das Muster Anspruch und seine Rollen
„Mir geht es gut, wenn ich alles perfekt machen kann.“
Auf der einen Seite können Menschen mit dem Muster Anspruch dafür sorgen, dass Dinge wirklich gut gemacht werden. Und sie können andere mit ins Boot holen und ihnen einfühlsam zeigen, wie auch sie die Dinge gut machen können.
Auf der anderen Seite haben sie ziemlich klare Vorstellungen davon, wie man etwas machen sollte: „Ich habe recht.“ Das kann dann auch dazu führen, dass sie über andere abfällig urteilen. Und dabei möchten sie doch ausgeglichen und tugendhaft, integer und gut sein. Was leider allzu oft dazu führt, dass sie auch mit sich selbst hadern.
Sonja Ansbach, 43 Jahre, Leiterin der Produktentwicklung bei der NEMO AG
Perfekte und zugleich elegante Konzepte für neue technologische Lösungen – das ist das Arbeitsgebiet der Physikerin und Leiterin der Produktentwicklung bei der NEMO AG Sonja Ansbach. Sie ist sehr diszipliniert und fleißig. Sie hat einen hohen Anspruch und verlangt auch von ihren Kollegen und Mitarbeitern viel.
Für andere sind die Energie und der Perfektionsdrang von Sonja Ansbach aber entweder nicht ganz nachvollziehbar oder sogar eine Hürde für die Zusammenarbeit. Zudem erscheint sie in den Augen von Kollegen und Mitarbeitern meist als außergewöhnlich beherrscht, manchmal sogar unbeweglich.
Andererseits ist sie, wenn sie erst einmal einen Draht zu jemand gefunden hat, eine sehr gute Lehrerin und Mentorin. Dann profitieren ihre Mitarbeiter nicht nur von ihrem Perfektionsdrang, sondern auch von ihrer Gabe, anderen Menschen Entwicklungsräume zu eröffnen.
Aber diese Seite von Sonja Ansbach bekommen nicht viele zu sehen. Allzu oft traut sie sich nicht, in diese Rolle zu schlüpfen. Dann hat sie das Gefühl, nicht alles richtig zu machen.
Sie selbst leidet unter ihrem inneren Kritiker, dem sie, wie sie selbst meint, nur durch Perfektion entkommen kann. Sie glaubt, erst dann wirklich akzeptiert zu werden, wenn sie alles richtig macht. Das zehrt manchmal sehr an ihren Kräften.
In der Freizeit beschäftigt sie sich mit Malerei, spielt Geige in einem privaten Streichquartett und schätzt den wundervollen Espresso in ihrem Stamm-Café.
Jedes Muster kann nicht nur in einem „Modus“ agieren, sondern in vier Modi. Dabei liegen jeweils zwei Modi – oder wie wir es nennen: Rollen – im Rollen-Trapez in der Balance-Zone und in der Gefahren-Zone.
Meist bewegen wir uns in der Rolle links oben im Trapez. In dieser Lieblings-Rolle sind wir zu Hause, in ihr agieren wir, ohne nachdenken zu müssen, sie zu nutzen fordert von uns kaum Energie – fast als würden wir uns mit einem Autopiloten bewegen. Das gibt uns Sicherheit, und das ist sehr bequem.
Doch wenn wir uns nur auf diese Rolle beschränken, berauben wir uns allzu vieler Möglichkeiten. Denn das jeweilige Pendant in der Balance-Zone, die Rolle rechts oben im Trapez, bietet uns viele neue Möglichkeiten, auf andere Menschen und Situationen anders als in der Lieblings-Rolle zuzugehen. Sobald wir in dieser zweiten Rolle der Balance-Zone agieren, haben wir unseren Einflussbereich erweitert – ohne dass wir dies bei anderen einfordern müssten und dass sich an den äußeren Umständen etwas ändern müsste.
Doch diese Rolle einzuüben und einzunehmen, fordert von uns allen erst einmal Energie so wie jede Verhaltensänderung. Und sie bringt zu Beginn sicher erst einmal den einen oder anderen Rückschlag mit sich und damit auch Unsicherheit. All das kostet Kraft, die erst einmal aufgebracht werden muss. Doch es zahlt sich aus, hier an sich zu arbeiten. Als Lohn winkt nichts weniger als ein großes Plus an persönlicher Freiheit, nämlich der Freiheit, über mehr Optionen im Verhalten gegenüber Menschen und Situationen zu verfügen.
Wer darauf verzichtet, dem droht früher oder später nicht nur die Beschränkung auf die gewohnte Lieblings-Rolle, sondern auch die Gefahr, in eine der Rollen der Gefahren-Zone zu geraten.
Ein Herabfallen in die Gefahren-Zone droht immer dann, wenn wir in der Krise sind, etwa durch völlig neue Herausforderungen, das Zusammentreffen mit Menschen und Situationen, die einem bislang nicht vertraut waren, durch Überlastung, zu viel Druck, Orientierungslosigkeit oder was auch immer. Dann glauben wir, unsere ansonsten wirksamen Vorgehens- und Verhaltensweisen, nicht zuletzt unsere Muster-Fallen (siehe Coaching-Tipps), müssten doch eigentlich auch jetzt funktionieren. Tun sie dann aber oft nicht.
Die Balance-Zone der Anspruchsvollen: nicht immer nur perfekt sein, sondern auch mal entspannen
Wohl mit kaum einem anderen schwingt Sonja Ansbach auf derselben Wellenlänge wie mit Petra Ehrlicher, der Leiterin der PR-Abteilung, mit der sie ein aufwendiges Projekt betreut. Ehrlicher und sie passen „energiemäßig“ gut zueinander. Sie arbeiten gerne und viel und finden ihre Identität durch die Arbeit. Ehrlicher schätzt an ihr, dass sie Projekte optimal vorbereitet und dass sie bei deren Umsetzung absolut verlässlich ist.
Mit ihr zusammen kann Sonja Ansbach sein, wie sie am liebsten ist: die Perfekte mit den hohen Ansprüchen an sich und ihre Arbeit. Das ist ihre Lieblings-Rolle.
Diese Rolle fällt Anspruchs-Typen in der Regel am leichtesten, weshalb sie sie auch meist einnehmen. Dadurch verlieren sie ihre zweite starke Seite leider allzu oft aus dem Blick: die der Entspannten. Hier kann sie auch mal fünfe grade sein lassen, die Mitarbeit an einem Projekt einfach mal genießen und sich von anderen mitreißen lassen.
Das erlebt Sonja Ansbach gerade an einem ganz besonderen Buchprojekt, einem Steckenpferd, wie sie sagt: Sie investiert viel Energie in die Mitarbeit an einem Kindersachbuch zum Thema „Physik im Alltag“.
Eine ihrer Ansprechpartnerinnen ist Paula Ortleb. Die beiden ergänzen sich wunderbar, da Ortleb Ansbachs Kunst schätzt, alle Aspekte des Projekts fast spielerisch, als System vieler ineinandergreifender Konzepte zu betrachten. Das passt hervorragend zu Ortlebs teilweise springenden assoziativen Gedankengängen. Was Ansbach vor allem in der Zusammenarbeit mit Paula Ortleb genießt, ist deren Art, die Dinge nicht ganz so ernst zu nehmen und entspannter und lockerer an die Sache heranzugehen. In diesem Team agiert Sonja Ansbach ganz als Entspannte, das heißt in der zweiten Rolle in der Balance-Zone der Anspruchsvollen, ihrer Entwicklungs-Rolle.
Die Gefahren-Zone der Anspruchsvollen: aus falsch verstandener Entspannung nachlässig, aus übertriebener Perfektion zwanghaft agieren
Sonja Ansbach fällt zum Beispiel immer dann in die Rolle der Nachlässigen, also der aus ihrer Sicht befürchteten extremen Form einer Entspannten, wenn es um Gerd Ilmenau geht, dem Leiter der Espressobar der NEMO-Zentrale. Ihm vertraut sie beispielsweise zu sehr, wenn es um das Catering für Meetings mit wichtigen Geschäftspartnern geht. Inzwischen hat sie erkannt, dass sie Ilmenau zu viel Leine gibt, was dazu geführt hat, dass der Qualitätsstandard spürbar gesunken ist.
Nun macht sich Sonja Ansbach Vorwürfe, zu nachlässig gewesen zu sein, und verfällt dadurch in einem anderen Fall – statt sich zwischen Perfektion und Entspannung zu bewegen – in das andere negative Extrem ihres Rollen-Trapezes: in die Rolle der Zwanghaften.
Darunter muss nun sogar Maria Grabenschwedt, die Vorstandsvorsitzende, leiden. Die kann sich – auch wegen ihrer immer gewaltigen To-do-Listen – manchmal nicht an Termine halten. Da es für Sonja Ansbach aber immer um die perfekte Lösung geht, reagiert diese bisweilen ungeduldig und ungehalten. Sie versucht dann, ihre Chefin in ein reglementiertes Korsett mit klaren Aufgaben und Terminen zu zwängen. Worauf sich Grabenschwedt aber meist nicht einlässt, was Sonja Ansbach dazu provoziert, noch stringentere Regeln aufzustellen …
Sonja Ansbach ist hier von der Rolle der Perfekten in die Rolle der Zwanghaften gefallen – nicht zuletzt weil sie Sorge hatte, vielleicht zu entspannt zu agieren. Als Zwanghafte nimmt sie die linke untere Ecke ihres Rollen-Trapezes ein und damit die Rolle, in der sie neben der der Perfekten am meisten agiert. Doch für ein Leben in der eigenen Balance-Zone sollte Sonja Ansbach dies vermeiden. Sonst verschwendet sie viel Energie für ein Verhalten, das weder sie noch jemand anderes mag und niemandem nutzt.
Weltsicht: Mir geht es gut, wenn ich alles perfekt mache.
Selbstbild: Ich habe recht.
Balance-Zone: zwischen perfekt und entspannt.
Gefahren-Zone: zwischen zwanghaft und nachlässig.
Stolperstein: Über sich selbst und andere abfällig urteilen.
Grundbedürfnis: Ausgeglichen, tugendhaft, integer und gut sein.
Generell stehen Anspruchs-Typen Veränderungen positiv gegenüber, da es für sie ohnehin immer etwas zu verbessern gibt.
Wenn Anspruchsvolle sich in Balance befinden, bewegen sie sich vom „einen richtigen Weg“ hin zur Freude an Mehrdeutigkeit und Spontaneität, also hin zum Options-Typ. Es ist ihnen nicht ganz so wichtig, ob Pläne auch mal ins Wasser fallen oder ob ein Programm eingehalten wird. Sie »lassen los«. Sie sind inspiriert, mit anderen ein Netzwerk zu bilden und Kreativität, Risikobereitschaft, Unabhängigkeit und Spaß zuzulassen.Sie sind bereit, auch Fehler zu machen.
Was sagen berühmte Persönlichkeiten zu den neun Mustern und deren Eigenarten?
Hier zehn Beispiele für das Muster Anspruch:
Ich verbrenne an meinem eigenen Maßstab.
Christian Morgenstern
Die Wahrheit ist selten so oder so. Meistens ist sie so und so.
Geraldine Chaplin
Sogar eine weiße Lilie wirft einen schwarzen Schatten.
Aus Ungarn
Billy Wilders bester Drehbuchschreiber liest ihm die zwölfte Fassung einer Szene vor und fragt ihn dann: „Das ist doch jetzt ganz gut so, oder?“ – „Ganz gut?!“ ruft Wilder und springt auf, „Ganz gut? Es ist perfekt! – Und jetzt wollen wir es besser machen."
Anekdote aus Hollywood
Ich habe einen ganz einfachen Geschmack, ich bin immer mit dem Besten zufrieden.
Oscar Wilde
So ist es besser, das vollkommene Leben zu suchen und dabei unterwegs zu sterben, als mit dem Suchen nach der Vollkommenheit nicht einmal den Anfang zu machen.
Origenes
Leben heißt, sich verändern. Vollkommensein heißt, sich oft verändert haben.
John Henry Newman
Nehmen Sie die Menschen wie sie sind. Andere gibt´s nicht.
Konrad Adenauer
Die Welt, obgleich sie wunderlich, ist gut genug für dich und mich.
Wilhelm Busch
Ein Fanatiker ist jemand, der seine Meinung nicht ändern kann und das Thema nicht ändern will.
Winston Churchill
Hillary Clinton entspricht dem Muster Anspruch: Sie stellt extrem hohe Anforderungen an sich selbst, auch moralische. Das lässt sie manchmal auch sehr streng wirken. Und sie kann sehr effizient neue Aufgaben in Angriff nehmen.
Die richtige Balance zwischen Perfektion und Entspannung findet Nelson Mandela wie kaum ein anderer. So konnte er als Anspruchsvoller wichtige ethische Richtlinien für die Aussöhnung zwischen schwarz und weiß in Südafrika vorgeben, dem konkreten Weg zur Aussöhnung aber offen für die Ideen anderer gegenüberstehen.
Weitere Beispiele sind: Mahatma Gandhi, Katharine Hepburn, Joan Baez, Johannes Paul II. oder Konfuzius.
Hier fünf Leinwand-Vertreter des Musters Anspruch mit ihrem Streben nach Perfektion und Gerechtigkeit:
- Erin Brockovich in „Erin Brockovich”, gespielt von Julia Roberts
- Oskar Schindler in „Schindlers Liste”, gespielt von Liam Neeson
- Horatio Caine in „CSI: Miami”, gespielt von David Caruso
- Bree Van De Kamp in „Desperate Housewives”, gespielt von Marcia Cross
- Charlotte York in „Sex and the City”, gespielt von Kristin Davis
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